Musiksprachen vergangener Epochen aktiv sprechen,
sich in musikalischem Vokabular frei ausdrücken,
im Ensemble spontan aufeinander reagieren,
lebendige Alte Musik kreieren
-
das ist das Konzept des Ensembles all'improvviso.
Ohrwürmer auf Reisen
Martin Erhardt, Blockflöte
Michael Spiecker, Barockvioline
Christoph Sommer, Lauten
Miyoko Ito, Viola da Gamba
Fotos: Isabel Moreton
Foto: Nico Born
Latein ist heute eine tote Sprache. Man lernt, lateinische Texte zu lesen und zu übersetzen, aber nicht, mündliche Konversation auf Latein zu führen. Natürlich gibt es ein paar Freaks, die das trotzdem praktizieren, aber es sind nur wenige Leute.
Es ist aber klar, dass Musiker in vergangenen Jahrhunderten viel improvisiert haben - in ihrer Musiksprache drückten sie sich spontan, frei und individuell aus und waren darin zuhause wie ein Fisch im Wasser. Wenn Alte Musik also heute wieder wirklich lebendig werden soll, reicht es nicht, nur das Repertoire nach Noten abzuspielen ("vorzulesen"): Nein, man muss sich selbst in der Sprache der Alten Musik frei ausdrücken können.
Unsere improvisierten Konzerte und Jam Sessions erreichen einen Grad der Lebendigkeit, die keine CD vermitteln kann, denn der Zuhörer hat das Privileg, Ohren- und Augenzeuge unwiederholbarer Ereignisse zu sein. Es ist spannend für das Publikum, beim Entstehungsprozess dabei zu sein, unseren Gedanken zusehen zu können. Eine in Echtzeit entstehende Melodie birgt für uns das Potential zu enorm hohem Wert, ermöglicht durch die Einheit von Komponist und Interpret. Die gesamte musikalische Erfahrung des Improvisators kommt ebenso wie dessen individuelle Persönlichkeit zum Tragen.
Aber wie kann man heute so improvisieren wie in Mittelalter, Renaissance und Barock, wo doch das Mikrophon damals noch nicht erfunden war? Nun, glücklicherweise gab es in diesen Epochen ebenso notierte Musik, die den Eindruck einer Improvisation erwecken soll, wie auch Traktate, die Improvisationstechniken beschreiben. Überhaupt sehen wir das überlieferte Repertoire dieser Jahrhunderte nur als Spitze des Eisbergs an, und durch Betrachtung dieses sichtbaren Teils stellen wir Rückschlüsse und Spekulationen über das Unsichtbare an.
Generell ist Improvisation für uns kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug, um Alte Musik lebendig werden zu lassen.
Nur der Vergleich mit der lateinischen Sprache hinkt, denn unsere Musik hat den entscheidenden Vorteil, dass sie vom Publikum sofort verstanden wird!